Familiengeburt – Geschwister auf eine Hausgeburt vorbereiten

Noch vor dem positiven Schwangerschaftstest habe ich mir Gedanken darüber gemacht, wie ich mein zweites Kind zur Welt bringen möchte. Klar war: ich wünschte mir diesmal eine Hausgeburt. Unklar hingegen: was tun mit dem großen Bruder während der Geburt?

Wie alles begann

Von Anfang an verfolgte mein zweijähriger Sohn meine Schwangerschaft mit großem Interesse. Er war bei allen Vorsorgeuntersuchungen beim Arzt und bei meiner Hebamme dabei. Er spielte Geburt mit seinen Kuscheltieren – manchmal 20 Mal hintereinander. Und er stellte Fragen. Viele Fragen. Die ich ihm sehr gerne beantwortete. Mich faszinierte seine Wissbegierde. Er wollte alles genau wissen. Wie funktionieren die Wehen? Wie ist das mit der Plazenta? Und wie genau kommt das Baby da eigentlich raus?

Ich habe mich sehr bemüht, ihm möglichst genaue und dennoch kindgerechte Antworten zu geben, die er mit seinen zwei Jahren verstehen kann. In der Realität verstand er deutlich mehr, als ich ihm anfangs zugetraut hatte. Und während ich noch ein zumindest mittelgroßes Fragezeichen im Kopf hatte, wo mein Sohn während der Geburt sein sollte, war für ihn klar: er möchte dabei sein.

Warum eigentlich nicht?

Einige Leser, vielleicht ja auch du, werden an dieser Stelle bereits die Hände über dem Kopf zusammenschlagen oder zumindest vor Unverständnis den Kopf schütteln. Ein Kind bei einer Geburt dabei haben? Und dann auch noch ein so junges wie meinen Sohn?

Nun, falls es dir so geht, dann stelle dir bitte folgende Frage: was kommt dir in denn Sinn, wenn du an Geburt denkst? Blut, Schreien und ausgeliefert sein oder vielmehr Schöpfung, Vertrauen und Wunder?

Denkst du an ersteres, so kann ich deine Reaktion verstehen. Vor solch einem Erlebnis würde auch ich mein Kind schützen wollen.

Meine Erfahrung mit und mein Bild von Geburt ist jedoch ein anderes. Ich glaube vielmehr an die natürliche Gebärkraft von uns Frauen und das Wunder der Geburt. Ich vertraue meiner erfahrenen Hebamme genauso wie meinem Körper, der zum Gebären gemacht ist. Ich sehe Geburt als ein selbstbestimmtes, intimes und intensives Erlebnis, das ich gerne mit den Menschen teilen möchte, mit denen ich tief verbunden bin – mit meinem Mann und meinem Sohn. Wenn sie dies denn möchten.

Du wünschst dir eine Familiengeburt? Drei Zentrale Fragen vorab!

Wenn du überlegst, dein(e) Kind(er) bei deiner Hausgeburt dabei zu haben, solltest du dir also zunächst folgende Frage stellen:

  • Möchte ich, dass mein Kind bei der Geburt dabei ist?

Höre tief in dich hinein. Was sagt dein Bauchgefühl? Und was dein Kopf? Sei ehrlich und offen gegenüber allen möglichen Antworten. Ein ja ist genauso viel wert wie ein nein. Die Entscheidung liegt ganz bei dir.

Spürst du ein nein, ist das gut so. Du hast dich bewusst dagegen entschieden, dein Kind bei deiner Geburt dabei zu haben und hast deine Gründe. Dein Kind wird nicht dabei sein.

Fühlst du hingegen ein ja, so stelle dir folgende Frage:

  • Möchte mein Kind  bei der Geburt dabei sein?

Auch hier ist es wichtig, dass du ehrlich und offen gegenüber der Antwort bist. Möchte dein Kind bei der Geburt seines Geschwisterchens dabei sein? Und falls ja, wie schätzt du als Mama den Wunsch deines Kind ein?

Äußert dein Kind, dass es nicht dabei sein möchte, so ist es wichtig, das zu respektieren und eine andere Lösung zu finden. Auch, wenn du dein Kind gerne dabei gehabt hättest.

Wünscht sich dein Kind dabei zu sein, so stellt sich dir eine weitere zentrale Frage:

  • Ist mein Kind gut vorbereitet auf die Geburt?  (Tipps hierzu folgen weiter unten…)

Diese Frage ist nicht ganz leicht zu beantworten, denn was heisst es eigentlich, gut vorbereitet zu sein und wie sieht das ganz konkret aus?!

So bereitest du dein Kind auf die Geburt seines Geschwisterchens vor.

An dieser Stelle möchte ich dir gerne ein paar Anregungen aus den Vorbereitungen meines Sohnes auf die Geburt seiner Schwester geben. Dabei ist mir eines besonders wichtig:

Niemand kennt dein Kind so gut wie du. Du als Mama wirst am ehesten spüren, was dein Kind an Vorbereitung gut gebrauchen kann und was eher nicht.

Die folgenden vier Schritte habe ich bei der Vorbereitung meines Sohne auf die Hausgeburt seiner Schwester als besonders wertvoll empfunden:

  1. Beziehe dein Kind in die Schwangerschaft und die Vorbereitungen auf die Geburt bewusst mit ein:Frauenarzt- und Hebammentermine, das Eincremen des Babybauches oder das Vorkochen der Wochenbettsuppe – das sind nur Beispiele dafür, wo du dein Kind aktiv in die Vorbereitungen auf den neuen Erdenbürger einbeziehen kannst. Mein Sohn beispielsweise genoss es immer sehr, zusammen mit meiner Hebamme den Bauchumfang zu messen und die Akupunkturnadeln nach der Behandlung rauszuziehen :-D. Toll fand er auch, von der Frauenärztin ein eigenes Ultraschall-Bild seiner Schwester zu bekommen, das nur ihm gehört. Kurz vor der Geburt haben dann wir gemeinsam alle „geburtsrelevanten“ Utensilien griffbereit in unseren Geburtskorb gepackt. Er genoss es sichtlich, als baldiger großer Bruder einen wertvollen Beitrag leisten zu können. Am meisten Spaß hat es ihm gemacht, die „Wohnung des Geschwisterchens zu verschönern“ – an einem warmen Sommertag durfte er sich mit (Bio-)Fingermalfarben daran machen, meinen Bauch zu bemalen. Du siehst, der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Es kommt weniger darauf an, was ihr gemeinsam tut, sondern dass ihr es tut. Nehmt euch in Ruhe Zeit für- und miteinander. Spätestens nach der Geburt werden solche ruhigen Momente vorerst zu einem seltenen Ereignis 😉
    Vorbereitungen auf das Geschwisterkind - Bauch bemalen

    Vorbereitungen auf das Geschwisterkind – Bauch bemalen

     

  2. Beantworte alle Frage deines Kindes ehrlich und authentisch:Je größer dein Bauch wird und je näher damit die Geburt deines Babys rückt, desto zahlreicher werden die Fragen deines größer Kindes sein. Es ist wichtig, dass du diese Fragen alle ernst nimmst. Auch wenn sie dir abwegig erscheinen. Sei ehrlich in deinen Antworten. Du darfst auch einmal etwas nicht wissen. Wenn du möchtest, kannst du in einem solchen Fall zusammen mit deinem Kind zur Antwort belesen. Wenn nicht, ist das auch ok. Mein Tipp für dich an dieser Stelle: traue deinem Kind ruhig zu, auch komplexe Sachverhalte verstehen zu können, wenn es das wirklich möchte.
  3. Zeige deinem Kind, was Geburt ist:Je nach Alter, wird dein Kind durch seine Fragen (und deine Antworten) schon ein mehr oder weniger genaues Bild davon haben, was Geburt eigentlich ist und wie eine natürliche Geburt abläuft. Zu wissen, was mit dir und deinem Körper während der Geburt passiert, gibt deinem Kind und dir viel Sicherheit während der Geburt. Erkläre deinem Kind, wie eine Geburt abläuft. Je genauer dein Kind über die Abläufe Bescheid weiss, desto sicherer fühlt es sich in der Geburtssituation. Manchmal sind auch Details entscheidend. So könnte es beispielsweise dein Kind verunsichern, wenn du während der Wehen laut bist. Das könntest du vorbereiten, indem du spielerisch mit deinem Kind tönst („so laut wie die Kühe muhen“) und ihm erklären, dass dir das dabei hilft, das Geschwisterchen zur Welt zu bringen. Oder etwa ihr besprecht gemeinsam, dass Blut bei der Geburt normal, gut und wichtig ist. Wie detailliert du das alles ausführst, ist vom Interesse und dem Verständnis deines Kindes abhängig.Natürlich musst du das Rad dabei nicht neu erfinden. Es gibt klasse Bücher die dir dabei helfen, deinem Kind ein realistisches und positives Bild von Geburt zu vermitteln. Hier kann ich dir drei Bücher besonders empfehlen, die mein Sohn in der Schwangerschaft geradezu verschlungen hat und auch heute noch immer mal wieder gerne hervor holt:
    • Runas Geburt: Meine Schwester kommt zur Welt
      Das ist ein umfangreicheres, wirklich schön geschriebenes und liebevoll illustriertes Buch, was auf viele Details bei der Hausgeburt eingeht und für jüngere wie ältere Geschwisterkinder geeignet ist.
    • Schwups und das Wunder der GeburtHier bekommt dein Kind spielerisch anhand der Geschichte in einer schwangeren Monsterfamilie erklärt, dass dein Kind durch deine Scheide geboren wir
    • Klopft da wer? Eine schwangere Familie, eine Hebamme und ein BabyDas Lieblingsbuch meines Sohnes. Es ist kurz & Bündig im Pixi-Buch-Style. Ausserdem ist es aus Sicht der großen Schwester geschrieben. Es erwähnt trotz seiner Kürze wesentliche Aspekte einer Hausgeburt, die für viele spannende Fragen und Gespräche sorgen werden 😉
    Vorbereitungen auf das Geschwisterkind - Gemeinsame Lektüre

    Vorbereitungen auf das Geschwisterkind – Gemeinsame Lektüre

    Neben den Büchern kann ich dich wirklich nur dazu ermutigen, dein Kind auch mit Videos von realen Geburten vorzubereiten. Hier ist es unbedingt notwendig, dir vorab die Geburtsvideos zunächst alleine anzusehen und zu beurteilen, inwiefern sie deinem (positiven & selbstbestimmten) Bild von Geburt entsprechen. Im Anschluss kannst du ein oder zwei (oder drei) auswählen, die du gemeinsam mit deinem Kind ansiehst. Wichtig ist dabei auch, die Filme nicht unkommentiert stehen zu lassen, sondern sie zu besprechen. Vielleicht beschreibst du in eigenen Worten, was ihr gerade seht. Oder du findest Anknüpfungspunkte an die Fragen deines Kindes.

    Zum Ende der Schwangerschaft hatte mein Sohn seine Lieblingsvideos, die ich dir hier verlinke:

    1. Wassergeburt mit Geschwisterkind; Geburt ab Minute 1:05: https://www.youtube.com/watch?v=Xfa9CQOY3XA
    2. Alleingeburt im Garten; detaillierte Nahaufnahme der Austreibungsphase: https://www.youtube.com/watch?v=a3ANtPxI3pE (Alleingeburt im Garten; detaillierte Nahaufnahme der Austreibungsphase)
    3. wundervolle Wassergeburt mit Geschwisterkind, schwarz-weiss Film: https://vimeo.com/119116272Schmiede einen Plan B!

      Neben dem Wissen aus deinem Mund, aus Büchern und auch Videos, ist es aber vor allem dein eigenes Gefühl zur Geburt, dass das Bild prägt, dass sich dein Kind von Geburt erschafft.  Dein Kind spürt deine Zweifel und deine Sicherheit, deine Angst und dein Vertrauen. Behalte das im Hinterkopf ;-).
  4. Schmiede einen Plan B! Du fühlst dich und dein Kind nun gut auf das große Ereignis vorbereitet und eure Vorfreude steigt? Dann kommen wir zur letzten Frage, die sich dir wahrscheinlich noch stellt:Wer übernimmt mein Kind, falls ich oder mein Kind sich während der Geburt umentscheiden und das Kind doch nicht mehr dabei sein soll / möchte / eine Verlegung notwendig ist?Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt…du kennst den Spruch. Du hast dein Kind perfekt vorbereitet. Trotzdem kann es bei der Geburt (wie im Leben allgemein…) zu unerwarteten Situationen kommen. Vielleicht ist es deinem Kind doch nicht ganz geheuer und es möchte den Geburtsraum verlassen. Oder deinem Kind ist nach vier Stunden Wehenassistenz schlichtweg langweilig und es möchte raus in den Garten. Oder du brauchst deine volle Konzentration und das liebevolle Rückenstreicheln deines Kindes bringt dich aus dem Konzept. Dann muss jemand  da sein für dein Kind. Das kann dein Partner sein. Wenn du diesen aber lieber an deiner Seite weisst, dann brauchst du eine weitere vertraute Person. Diese Person kann entweder während der gesamten Hausgeburt anwesend sein (und sich im Hintergrund halten) oder auf Abruf kommen. Ich empfehle dir, diese Person gründlich auszuwählen, denn nur wenn du dein(e) Kind(er) gut betreut weisst, wirst du dich voll und ganz auf das Geburtsgeschehen einlassen können.Besprich auch im Vorfeld mit deinem Kind, dass es sein kann, dass es möglicherweise nicht bei der Geburt dabei sein kann, falls es zu einer solchen Situation kommt.

Vorfreude ist die schönste Freude

Ich wünsche dir viel Freude dabei, dein Kind auf eure Familiengeburt vorzubereiten. Mir hat es viel Spaß gemacht, mich zusammen mit meinem Sohn so intensiv mit dem Thema Geburt auseinander zu setzen. Hat der Artikel noch Fragen unbeantwortet gelassen? Oder wünschst du dir professionelle Unterstützung, um dich bestmöglich auf deine Geburt vorzubereiten? Dann schreibe mir gerne!

So verlief unsere Familiengeburt

Dich interessiert noch, wie mein Sohn die Geburt seiner Schwester erlebt hat? Sagen wir mal so – das was er davon miterlebt hat, hat ihn schwer begeistert. Meine Hebamme hatte ihn und meinen Mann nach einer durchwehten Nacht auf den Spielplatz geschickt, nachdem sie feststellte, dass mein Muttermund noch immer geschlossen war. Ich sollte versuchen, noch etwas zu schlafen. Aber es war wie in einem schlechten Film: Mann und Kind verließen das Haus – die Fruchtblase platzte – innerhalb von fünf Minuten eröffnete sich der Muttermund vollständig und weitere drei Minuten später war das Baby da. Als mein Mann und mein Sohn, von der Hebamme informiert, kurze Zeit später zurückkamen, verfolgte mein Sohn gespannt die Geburt der Plazenta. In dem Moment, als er dann die Nabelschnur seiner Schwester ganz alleine durchtrennte, stand ihm der Stolz ins Gesicht geschrieben. Das machte Enttäuschung über die verpasste Geburt für ihn allemal wett.

Egal, welche Mittel und Wege du nutzt, um deinem Kind auf eure Familiengeburt vorzubereiten – denke daran: Kinder stehen dem Thema Geburt oft (noch) völlig unvoreingenommen gegenüber. Das ist ein großes Geschenk. Du hast die Möglichkeit, mit deinem Kind aktiv ein positiveres Bild von Geburt in der nächsten Generation zu prägen.

Und nun interessiert mich brennend: Kannst du dir vorstellen, dein Baby im Beisein deines Kindes zu gebären? Bereitest du dich gerade auf eine Familiengeburt vor? Oder hast du schon eine Familiengeburt erlebt? Lass es mich wissen – in den Kommentaren!

Herzlichst

Isabel