Mamapsychologie Angst vor der Geburt

Geburt & Angst – 5 Strategien, um mit deiner Angst vor der Geburt konstruktiv umzugehen

Der Tag der Geburt rückt unaufhaltsam näher. Und irgendwie ist dir dabei etwas mulmig zumute. Um ehrlich zu sein, hast du sogar ein wenig Angst davor.

Du kannst nicht mit Sicherheit sagen, was genau dich erwartet und wie du damit umgehen wirst. Und das macht ein ungutes Gefühl.

Lass mich dir gleich zu Beginn eine sagen: alles, was du zum Gebären brauchst, liegt bereits in dir. Du bist dazu gemacht, dein Kind zu gebären. Behindernde Ängste können deine Geburt jedoch erschweren. Deswegen stelle ich dir in diesem Blogartikel fünf Strategien vor, wie du mit deiner Geburtsangst konstruktiv umgehen kannst. Zuvor werden wir uns ansehen, was Angst eigentlich ist, welchen Sinn sie hat und warum sie für die Geburt sehr hinderlich sein kann.

Was ist Angst eigentlich?

Angst hat jeder schon einmal erlebt. Ich auch. Doch was ist Angst eigentlich? Ist Angst mehr als ein unangenehmes, negatives Gefühl?

Wissenschaftlich betrachtet ist Angst eine komplexe Emotion, die weit über das reine Erleben eines negativen Gefühls hinaus geht. Das Gefühl der Angst wird immer durch einen bestimmten Auslöser hervorgerufen. Was konkret Ängste auslöst, unterscheidet sich von Mensch zu Mensch. Die meisten Ängste, die wir haben, sind nicht angeboren. Evolutionär bedingt besitzen wir lediglich eine angeborene Anfälligkeit (Prädisposition) für bestimmte Angstauslöser (z.B. Spinnen, Schlangen, Höhen). Durch individuelle Lernerfahrungen kann jedoch prinzipiell alles zu einem solchen Angstauslöser werden. Auch die Geburt unseres Kindes.

Was genau an der Geburt eines Kindes Angst auslöst, ist individuell ganz unterschiedlich. Manche Frauen haben eine sehr unspezifische, generelle Angst vor der gesamten Situation der Geburt. Andere wiederum fürchten ganz bestimmte Ereignisse, wie etwa das Reissen des Dammes oder die Notwendigkeit eines Notkaiserschnittes. Wie ist es bei dir?

Angst hat, wie jede andere Emotion auch (z.B. Freude, Trauer etc.) drei unterschiedliche Aspekte. Einen Aspekt davon kennst du sicherlich, das Gefühl. Hast du Angst, so fühlst du dich deutlich unwohl und schlecht. Je näher der Geburtstermin rückt, desto unangenehmer fühlt sich die Angst an.

Der zweite Aspekt umfasst deine Gedanken. Deine Gedanken hängen wiederum davon ab, wie du etwas bewertest. Im Bezug auf die Geburt könnte solch ein Gedanke bzw. eine Bewertung lauten: „Geburt ist gefährlich“.

Und der dritte Aspekt ist die Handlungstendenz. Eine Handlungstendenz kann man sich als Impuls vorstellen, auf eine ganz bestimmte Art und Weise auf den Angstauslöser zu reagieren.

Prinzipiell sind in uns Menschen drei solcher Handlungstendenzen bei Angst angelegt: Kampf, Flucht und Erstarren. Evolutionär betrachtet macht das Sinn: Je nachdem, wie wir den Säbelzahntiger vor unserer Höhle sowie unsere eigenen Fähigkeiten einschätzen, werden wir uns dazu entschließen, unser Leben dadurch zu retten, ihn anzugreifen, möglichst schnell wegzulaufen oder uns tot zu stellen. Geht es um die Angst vor der Geburt unseres Kindes, ist keine dieser drei Reaktionen wirklich zielführend. Deswegen ist es wichtig, dass du dich schon vor der Geburt mit deinen Ängsten und möglichen Strategien, mit ihnen umzugehen, auseinander setzt.

Welchen Sinn hat Angst?

Auch wenn sich das komisch anhört: Prinzipiell ist Angst etwas sehr Nützliches. Denn Angst ist ein hoch effektiver, evolutionär verankerter Schutzmechanismus. Soll heissen: Der Sinn der Angst liegt darin, dich vor möglichen Gefahren zu schützen. Wenn wir an den oben genannten Säbelzahntiger in der Steinzeit denken, wird schnell klar: ohne Angst wären weder du noch ich heute hier.

Angst wird erst dann zum Problem, wenn sie dich gegen deinen Willen in deinem Fühlen, Denken und Handeln behindert. Bezogen auf die Geburt stören Ängste deinen Körper beim „Gebärvorgang“.

Um das deutlich zu machen, möchte ich an dieser Stelle etwas weiter ausholen und etwas über die körperlichen Veränderungen in deinem Körper erzählen, die Angst auslöst. Vielleicht weisst du bereits, dass du ein autonomes (vegetatives) und ein somatisches Nervensystem besitzt. Während dein somatisches Nervensystem dir bewusstes Wahrnehmen und Verhalten ermöglicht, kümmert sich dein autonomes Nervensystem um zahlreiche unbewusste Prozesse in deinem Körper.

Hast du Angst bzw. begegnest du einem Angstauslöser, versetzt dich der sogenannte sympathische Teil deines autonomen Nervensystems in Alarmbereitschaft. Deine Pupillen werden groß, damit du mögliche Gefahren schnell erkennen kannst, dein Herzschlag wird schneller und deine Bronchien erweitern sich. In deinem Körper werden Stresshormone ausgeschüttet, die dir innerhalb weniger Sekunden die notwendige Energie für einen drohenden Kampf oder eine rettende Flucht bereitstellen. Alle anderen unbewussten Prozesse deines Körpers, die in dieser akuten Situation nicht zum Überleben beitragen, werden gehemmt. Das schont die Reserven und Kräfte deines Körpers. Deine Speichelproduktion wird gehemmt, deine Magen-Darm-Aktivität wird reduziert und sämtliche Aktivität deiner Fortpflanzungsorgane wird gestoppt.

Was passiert bei Angst während der Geburt

Damit dein Körper dein Kind natürlich und ungestört gebären kann, braucht er eine Umgebung, die ihm Sicherheit gibt und entspannen lässt. Erlebst du Angst während der Geburt, passiert in deinem Körper dasselbe, wie bei der Begegnung mit dem Säbelzahntiger. Dein Körper wird in Alarmbereitschaft versetzt.

Eine massive Flut von Stresshormonen durchströmt deinen Körper. Wie bei dir, steigen auch die Herztöne deines  ungeborenen Kindes an. Es wird suboptimal mit Sauerstoff versorgt, woraufhin die Herzfrequenz besorgniserregend absinken kann. Deine Muskulatur verspannt sich. Anspannung fördert Schmerz. Schmerz führt zu noch mehr Angst, die wiederum deine Anspannung steigert (Angst-Anspannung-Schmerz-Kreislauf). Die Durchblutung deiner Gebärmutter wird drastisch reduziert. Ohne eine ausreichende Durchblutung kann die Muskulatur deiner Gebärmutter nicht adäquat funktionieren. Um dich und dein ungeborenes Kind zu schützen, unterbricht dein Körper den Geburtsvorgang.

„Ineffiziente“ Wehen oder ein Geburtsstillstand sind die mögliche Folge. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Angst ist mit Sicherheit nicht die einzige Ursache für Geburtsstillstände und andere unerwünschte Ereignisse während einer Geburt. Aber sie ist eine mögliche Ursache, der man mit der entsprechenden Vorbereitung zuvor kommen kann.

Woher kommt die Angst vor der Geburt?

Eines vorneweg: Ein gewisses Maß an Angst vor der Geburt ist ganz normal. Die wenigsten von uns haben vor der Geburt unseres ersten Kindes schon einmal eine echte Geburt miterlebt. Deswegen ist es auch nicht verwunderlich, wenn wir einem für unser Leben so bedeutsamen Ereignis mit Respekt gegenüber treten. Angst per se ist nichts schlimmes. Sie möchte uns schützen, uns aufmerksam machen, genauer hinzusehen. Erst wenn sie uns behindert, einschränkt und hemmt, dann ist sie fehl am Platz. Das gilt auch für die Angst vor der Geburt.

Wie eingangs erwähnt, ist die Angst vor der Geburt eine erlernte Angst. Vielleicht hast du selbst schon eine schwierige Geburt erlebt und als Lernerfahrung mitgenommen, dass Geburt Gefahr bedeutet.

Doch wie ist es, wenn du dein erstes Kind erwartest und ohne eigene Erfahrung Angst vor der Geburt hast? Wir Menschen lernen nicht nur durch eigene Erfahrungen, sondern auch durch Erfahrungen und Erzählungen anderer. Unser eigenes Bild von Geburt wird stark davon beeinflusst, wie Geburt in unserer Familie, unserem Freundes- und Bekanntenkreis und der Gesellschaft wahrgenommen und dargestellt wird. Dein Frauenarzt wird Geburt mit höchster Wahrscheinlichkeit als gefahrenvoll beschreiben. Schließlich ist er in seinem Studium darauf sensibilisiert worden, das wahrzunehmen. Die Freundin deiner Freundin hatte eine 48-Stunden-Geburt, die Arbeitskollegin deiner Mutter hatte einen Kaiserschnitt ohne wirksame Narkose. Du gehst ins Kino. Im Kino gebiert die Hauptdarstellerin ihr Kind unter lautem Kreischen und unerträglichen Schmerzen auf ganz großer Leinwand. Schmerz, Risiko, Unkontrollierbarkeit – das entspricht dem heutigen Bild von Geburt. Und da du selbst noch keine Geburt erlebt hast, wirst du dieses Bild zumindest in Teilen für dich übernehmen. Deine so entstandenen negativen Erwartungen führen zu Angst. Angst führt zu Anspannung. Anspannung zu Schmerz. Das wiederum bestätigt deine negativen Erwartungen. Der Kreislauf schließt sich.

5 Schritte, um mit deiner Angst vor der Geburt umzugehen

Du weisst nun, was Angst eigentlich ist, welchen Sinn sie hat, was sie mit deinem Körper macht und was das für dich und deine Geburt bedeuten kann.

Nun möchte ich darauf eingehen, was du tun kannst, um mit deiner Angst vor der Geburt deines Kindes umzugehen.

  1. Lerne deine Ängste kennen: Nimm dir einen Stift, einen Zettel und ein paar Minuten ungestörte Zeit. Und dann schau dir deine Angst doch einmal genauer an. Wovor hast du eigentlich Angst? Was ist es genau, was dir vor der Geburt deines Kindes Angst macht? Hast du Angst, den Schmerzen nicht gewachsen zu sein? Fürchtest du dich vor möglichen Eingriffen? Hast du Angst davor, die Kontrolle über dich und deinen Körper zu verlieren?  Das sind nur Beispiele. Versuche, deine Ängste so genau wie möglich in Worte zu fassen. Benutze dabei die Ich-Form (z.B. „Ich habe Angst davor, dass ich einen Dammschnitt bekomme“; „Mir macht es Angst, nicht zu wissen, wie sich Wehen genau anfühlen“; Ich habe Angst, dass es wieder ein Kaiserschnitt wird“).
  2. Nimm deine Ängste an: Es ist vollkommen in Ordnung, dass du Angst fühlst. Deine Ängste haben eine Berechtigung, da zu sein. Vielleicht hast du selbst schon eine schwierige Geburt erlebt. Vielleicht hast du aber auch von anderen oder aus den Medien ein sehr negatives Bild von Geburt vermittelt bekommen. Als Reaktion darauf hast du nun Angst. Und das ist völlig normal und legitim. Mache dir bewusst: Deine Angst ist dazu da, dich vor möglichen Gefahren zu schützen. Und das ist gut so. So lange du die Geburt deines Kindes unbewusst oder ganz bewusst als Gefahr wahrnimmst, wird die Angst als schützender Begleiter bei dir sein. Sie will dich dazu animieren, genauer hinzusehen.
  3. Informiere dich und sieh dir an, wie schön Geburt sein kann: Deswegen ist es als nächster Schritt wesentlich, die Dinge, die dir Angst machen, einmal genauer auf ihren Wahrheitsgehalt und ihre Wahrscheinlichkeit hin zu untersuchen. Wie wahrscheinlich ist es denn, dass das eine oder andere gefürchtete Ereignis generell und im Speziellen bei dir eintritt (z.B. stimmt der alte Satz „einmal Kaiserschnitt-immer Kaiserschnitt“ in den allermeisten Fällen schlicht und einfach nicht, das ist inzwischen durch etliche Studien belegt)? Was kannst du aktiv dafür tun, damit das Ereignis nicht eintritt bzw. wie kannst du dich konstruktiv darauf vorbereiten? Wissen ist Macht, das trifft auch auf die Geburt zu, insbesondere in Anbetracht der heutigen Geburtshilfe. Mache dir ein genaues Bild von dem, was du willst und was du nicht willst. Benötigst du Wissen zu einem ganz bestimmten Thema? Dann schreib´ mir, gerne empfehle ich dir eine Lektüre zu deinem speziellen Thema. Grundsätzlich kann ich dir das Buch „Alleingeburt“ von Sarah Schmid empfehlen. Lass dich vom Titel nicht abschrecken, es ist vollgepackt mit einer Menge wertvollem Gebärwissen, dass zur Vorbereitung auf jede Form der Geburt hilfreich ist. Höre auf damit, dir schauderhafte Geburtsberichte durchzulesen. Suche gezielt nach schönen Geburtsberichten. Es gibt viele wunderschöne Geburtsvideos auf Youtube, die du dir ansehen kannst, um ein realistischeres Bild von Geburt zu bekommen und die Vorfreude auf deine eigene Geburt zu steigern. Ein paar Inspirationen findest du hier, (https://www.youtube.com/watch?v=Xfa9CQOY3XA) hier (https://www.youtube.com/watch?v=2TditT5J6fM), und hier (https://www.youtube.com/watch?v=CMMqSFlVwoM)
  4. Formuliere positive Affirmationen für deine Geburt: Im ersten Schritt hast du deine Ängste genau beschrieben. Jetzt geht es darum, auf Basis des Wissens und der Informationen, die du im dritten Schritt gesammelt hast, aus deinen Ängsten hilfreiche Affirmationen für deine Geburt abzuleiten. Affirmationen sind im Prinzip kurze, eingängliche, meist positiv formulierte Sätze, die du dir bewusst wählst, um sie dir zur Vorbereitung auf deine Geburt sowie während der Geburt immer wieder ins Gedächtnis zu rufen. Ein Beispiel: Hast du die Angst formuliert „Ich habe Angst davor, den Schmerzen nicht gewachsen zu sein“, so könnte deine davon abgeleitete Affirmation lauten „Ich als Frau bin dazu gemacht, mein Kind aus eigener Kragt zu gebären“ oder schlicht „Ich bin stark“. Wähle deine Worte so, dass sie beim Lesen in dir ein gutes Gefühl auslösen. Wenn du möchtest, kannst du dir deine Affirmationen auf ein Blatt schreiben und an einem gut sichtbaren Ort in deinem Zuhause aufhängen. Oder du schreibst sie dir auf kleine Kärtchen, die du immer dabei hast, sollte die Angst dich mal wieder zu überwältigen drohen.
  5. Lerne, dich zu entspannen: Im obigen Text habe ich es mehrmals beschrieben: Angst führt zu Anspannung, Anspannung zu Schmerz. Anders herum gilt aber auch, dass Entspannung sich positiv auf deine Ängste auswirkt, dich ganzheitlich (also auch muskulär) entspannen lässt und somit natürlich Schmerzen vorbeugt und lindert. Deswegen rate ich dir, dich frühzeitig in deiner Schwangerschaft damit zu beschäftigen, dich regelmäßig zu entspannen. Entspannung ist tatsächlich etwas, was dein Körper lernen kann. Je öfter du übst, desto schneller erreicht dein Körper einen angenehmen geburtsfreundlichen Entspannungszustand. Vielleicht weisst du schon aus deinem Alltag, was dir gut tut und dich entspannt. Wenn nicht, hast du jetzt die Möglichkeit, durch Ausprobieren „deine“ Methode zu finden. Bewusstes Atmen, Yoga, Meditation, Autogenes Training und Hypnose sind nur einige Beispiele. Also worauf wartest du? Tu´dir und deinem ungeborenen Kind etwas Gutes und entspanne dich! Während deiner Geburt kannst du dann auf deine erlernte Entspannungsmethode zurückgreifen, wenn du es brauchst. Das wird dir helfen, zwischen den Wehen Kräfte zu sammeln und während der Wehen deinen Körper bestmöglich bei seiner Geburtsarbeit zu unterstützen. Er macht die Arbeit – dein Job ist es, sich zu entspannen und ihn machen zu lassen!

Ich wünsche mir sehr, dass dieser Artikel dir dabei hilft, konstruktiv mit deinen Ängsten vor der Geburt umzugehen. Wünschst du dir meine direkte Unterstützung oder hast du Fragen? Dann freue ich mich über eine Nachricht von dir!

Hier findest du nähere Informationen zu meinem MindBirth-Coaching für eine selbstbestimmte Geburt frei von behindernden Ängsten.

Alles Liebe,

deine „Mama“-Psychologin Isabel

Nun interessiert mich noch: Hat dir mein Artikel weiter geholfen? Welche Strategien hast du dir zurecht gelegt, um mit deiner Angst vor der Geburt umzugehen? Schreib´ es mir in die Kommentare!